Digital Geneva Convention: Eine neue Ordnung für die digitale Zukunft
veröffentlicht am
Konventionen regeln grundsätzliche Fragen des Zusammenlebens auf unserer Welt, sie setzen einen Rahmen, der auch im Krisenfall gelten soll. Ganz egal, ob es um den Einsatz von chemischen Waffen geht oder den Schutz von Flüchtlingen - leider erleben wir derzeit, wie so oft im 20. Jahrhundert, dass Konventionen offen in Frage gestellt oder gezielt gebrochen werden. Die Realität unserer globalen, vernetzten Welt sollte uns jedoch nicht entmutigen zu diskutieren und zu verhandeln, wie eine neue Ordnung für die digitale Zukunft aussehen sollte. Multilaterale Abkommen und die Formulierung von Grundregeln für die Digitalisierung werden immer wichtiger. Deshalb ist es richtig, eine Debatte über eine Digital Geneva Konvention zu führen und deswegen ist es richtig, wenn wir über eine Grundrechte-Charta für die digitale Zukunft diskutieren. Diese Arbeits- und Diskussionsprozesse sind notwendig, um gesellschaftlich neu auszuhandeln, was gemeinsame Regeln für das Leben in digitalisierten Gesellschaften des 21. Jahrhunderts sein werden. Deutschland könnte hier eine echte Führungsrolle einnehmen, beim Versuch verschiedene Interessengruppen in einem Multi-Stakeholder Prozess ausgleichend mitzunehmen.
Ob die globale Dimension des Internets, der enorme Einfluss privater Akteure oder die Vulnerabilität vernetzter Gesellschaften bei IT-Angriffen oder Krisen - all das macht internationale Übereinkünfte in Form von Konventionen oder Verträgen für die digitale Zukunft unabdingbar. Richtig ist es, Unternehmen und andere private Akteure mit einzubeziehen, sie üben mittlerweile an vielen Stellen eine Form von staatlicher Gewalt aus. Sonderrollen als neutrale Akteure dürfen daraus aber nicht erwachsen.
Was wir brauchen ist ein internationaler Verhaltenskodex, mit dem die Nutzung ziviler (Netz-)Infrastruktur für militärische Angriffe oder als Ziel digitalgestützter Angriffskapazitäten zweifelsfrei untersagt wird und private Kommunikation effektiv geschützt wird. Ebenso braucht es ein Verbot, an Internetknotenpunkten und Unterseekabeln Daten illegal auszuleiten, wie auch Meldepflichten für Staaten bei Entdecken von Sicherheitslücken, das Verbot des staatlichen Handels mit ZeroDays und ein strengeres Kontrollregime und Exportverbot für bestimmte Überwachungstechnologien.
Um dies Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es effektive Rechtsdurchsetzungs- und Sanktionsmechanismen, um Verletzungen der gemeinsamen Regeln zu ahnden. Hiervor müssen neben Staaten, Einzelpersonen, auch private Akteure Rechenschaft abliefern und anklagbar sein. Die Bundesregierung muss sich international und auf europäischer Ebene sehr viel stärker als bisher einbringen, wie in der von der Generalversammlung der UN eingesetzten Regierungsexpertengruppe um gemeinsame Antworten auf völkerrechtswidrige Handlungen im Netz zu suchen. Sie muss sich federführend für die Ergänzung der 2015 erarbeiteten Normen und vertrauensbildenden Maßnahmen für verantwortungsbewusstes Staatenverhalten im Netz einsetzen. Zwischenschritte könnten das in Deutschland stattfindende „Internet Governance Forum“ und der Vorsitz der „Freedom Online Coalition“ sein. Die Konstruktion internationaler Kodizes wird nicht schnell gehen, vermutlich sogar ein Jahrzehnt und länger dauern. Dies darf nicht als Ausrede dienen, zwischenzeitlich ebenfalls notwendige nationale und europäische Regulierung zu verschleppen. Denn die Verteidigung unserer Menschenrechte braucht im digitalen Zeitalter neue Instrumente.
Microsoft hat 2017 eine Digitale Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten im Cyberspace vorgeschlagen. Der Vorschlag hat seitdem viel Zustimmung, aber auch Kritik erfahren. Dieser Artikel ist Teil einer Serie von Gastbeiträgen, mit der wir die Debatte um eine Digitale Genfer Konvention hier auf Microsoft Berlin fortführen möchten.
Microsoft setzt sich unter dem Motto „Digitalisierung für Alle“ dafür ein, dass auf Basis von digitaler Sicherheit alle Menschen vom Fortschritt und den Chancen profitieren, die die digitale Gesellschaft bietet.
Malte Spitz
Malte Spitz, geboren 1984, befasst sich seit 15 Jahren mit Fragen des Digitalen Wandels, als Politiker, als Autor und Aktivist. Seit 2013 ist er Mitglied im Parteirat von Bündnis 90/ Die Grünen, zuvor war er sieben Jahre Mitglied in deren Bundesvorstand. Für internationales Aufsehen sorgte er 2011, als er seine Vorratsdaten veröffentlichte, deren Herausgabe er gerichtlich erstritten hatte. Die Veröffentlichung wurde mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. 2014 erschienen bei Hoffmann und Campe seine Bücher “Was macht ihr mit meinen Daten?”.