Digitale Sicherheit im Superwahljahr 2021
Digitalisierte demokratische Gesellschaften stehen bei Wahlen regelmäßig vor einer großen Herausforderung: Es gilt, die Integrität und Sicherheit eines ihrer zentralen Verfahren sicherzustellen. Im Superwahljahr 2021 erscheint die technische Ausgangssituation in Deutschland vordergründig beruhigend: Unsere klassischen „paper and pencil“-Wahlverfahren bieten wenig Angriffspunkte zur Manipulation. Selbst wenn es zu Unstimmigkeiten beim Ergebnis einer Wahl käme, gäbe es immer eine physische Grundlage, auf der Stimmen nachgezählt werden könnten. Die zur Übertragung der Wahlergebnisse aus den Wahllokalen verwendete Software ist technisch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gehärtet.
Gleichwohl stehen wir durch die Corona-Pandemie vor neuen Herausforderungen: Durch das Infektionsgeschehen müssen innerparteiliche Prozesse wie Kandidatenaufstellungen verstärkt digital stattfinden. Der Bundesparteitag der CDU mit der Wahl des neuen Vorsitzenden Armin Laschet hat einen hohen Maßstab gesetzt. Zugleich machte er auch die Sicherheitsanforderungen deutlich: Nach offenkundigen Phishing-Versuchen auf die Zugangsdaten der Delegierten im Vorfeld, kam es auch während des Parteitags zu massiven DDoS-Attacken auf die Webserver der Partei. Sie konnten erfolgreich abgewehrt werden.
Die größte Herausforderung ergibt sich allerdings aus der weitgehenden Verlagerung der Wahlkämpfe in den digitalen Raum. Dabei gilt es, den Blick insbesondere auf die Interaktion von Meinungsbildungsprozessen der Wähler, gezielte Desinformationen und mögliche Cyber-Operationen zu legen. Hier entsteht das größte Bedrohungspotential, auch für die Integrität von Wahlen. In den Vereinigten Staaten und andernorts konnten wir dies bereits beobachten.
Diese Herausforderungen lassen sich nicht nur mit technischen Sicherheitsvorkehrungen lösen – die gesellschaftliche Resilienz muss wachsen. Dafür benötigen wir eine noch stärkere individuelle Medienkompetenz. Phil Howard vom Oxford Internet Institute sprach kürzlich zeitgenössisch-treffend von einer „Herdenimmunität gegen Desinformation“. Diese muss sich mindestens so sehr in den Köpfen abspielen als in den technischen Vorrichtungen, die unsere demokratischen Prozesse sichern.
Regulatorische Maßnahmen, aber auch ein gestiegenes Verantwortungsbewusstsein bei Hard- und Softwareanbietern, sind wichtige Fortschritte der vergangenen Jahre. Resilienz beginnt aber beim Individuum: Wir Bürgerinnen und Bürger müssen verstehen, dass Angriffe nicht nur auf staatliche Institutionen zielen. Letztlich versuchen sie unsere ganz persönliche Wahlentscheidung zu manipulieren. Damit bleibt die digitale Sicherheit von Wahlen auch im Superwahljahr 2021 eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Wenn Sie die #DigiLounge zu dem Thema verpasst haben, können Sie hier noch einmal die Aufzeichnung ansehen.