#futurework22: Nadine Schön über den Digital Divide zwischen Stadt und Land
![Stilisierte Kuppel des Reichstagsgebäudes in Berlin.](../renderingassets/personas/microsoft-berlin.jpg)
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Nadine Schön ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2014 stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion. Als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Digitales setzt sie sich insbesondere für mehr digitale Bildung ein. Gemeinsam mit Thomas Heilmann hat sie das Buch „NEUSTAAT: Politik und Staat müssen sich ändern“ geschrieben, das 2020 veröffentlicht wurde.
Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie der Digital Divide zwischen städtischen und ländlichen Regionen überwunden werden kann und welche Auswirkungen das auf die Zukunft der Arbeit haben wird.
In ihrem Buch Neustaat fordern Sie, Politik und Staat neu zu denken, unter anderem mit innovativen Methoden und neuen Technologien. Wie kann das konkret aussehen?
Politik und Staat stoßen angesichts neuer Anforderungen an Aufgaben und Fähigkeiten zunehmend an ihre Grenzen: Prozesse, Abstimmungen und Verwaltungsverfahren sind häufig langwierig und komplex. Gleichzeitig berichten über drei Viertel der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von steigendem Druck und Belastung. Der Staat steckt in einer Komplexitätsfalle. Mit dem Projekt Neustaat wollen wir daran etwas ändern und aufzeigen, dass auch Politik und Staat zu einem lebenslangen Lernen angehalten sind.
Ein "lernender Staat" braucht hierfür neue Prozesse, neue Gesetze, neue Kompetenzen, neue Strukturen und neues Denken. Innovative Methoden und neue Technologien können uns helfen die politische und staatliche Arbeit flexibler, effizienter und effektiver zu gestalten. Die digitale Transformation erleichtert kollaborative Arbeitsformen sowie eine Vernetzung über Ressortgrenzen und föderale Ebenen hinweg. Wir brauchen mehr strategische Vorausschau, an Gesetzen muss künftig auch parallel statt in ewigen Mit- und Gegenzeichnungsschleifen gearbeitet werden, durch Verlaufscharts und Digitalisierungschecks werden Gesetze praxisnäher und besser umsetzbar. Wir wünschen uns einen Staat, der Rahmenbedingungen für Innovationen schafft und selbst innovative Konzepte und Methoden testet und nutzt.
Die Digitalisierung ist in den verschiedenen Regionen Deutschlands bisher recht unterschiedlich fortgeschritten - beispielsweise gibt es noch immer nicht in allen Regionen des Landes schnelles Internet. Wie schaffen wir es, den Digital Divide zwischen städtischen und ländlichen Regionen zu überwinden?
Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur - Breitband wie Mobilfunk - ist nicht nur Bestandteil, sondern essenzielle Grundlage für unsere Ambitionen in flächendeckenden Zukunftstechnologien. Der Staat muss innovative Lösungen unterstützen, um ein modernes Arbeiten von überall aus zu ermöglichen. Mit unserem in 2021 eingeführten Graue-Flecken-Förderprogramm konnten wir entscheidende Schritte in die richtige Richtung gehen. Jedoch braucht es weiterhin Kraftanstrengung, um auch strukturell schwierig zu erschließende Gegenden mit Highspeed-Internet zu versorgen.
Das Telekommunikationsgesetz, das in der vergangenen Wahlperiode modernisiert wurde, bietet zahlreiche Möglichkeiten, datenbasiert zu planen und mit neuen Verlegemethoden zu arbeiten. Insbesondere ermöglicht es, staatliche Förderung auch in Gebieten einzusetzen, die schon eine Grundversorgung haben. Und es schreibt das Recht auf schnelles Internet vor. Derzeit warten wir auf die Fortschreibung der Gigabitstrategie von Digitalminister Wissing. Die Instrumente sind alle da. Sie müssen klug eingesetzt und genutzt werden.
![Porträtfoto von Nadine Schön](/de-de/berlin/renderingassets/futurework22-nadine-schoen-%C3%BCber-den-digital-divide-zwischen-stadt-und-land-portraet.jpg)
Foto: Tobias Koch
Was bedeutet das für unsere Wirtschaft und die Zukunft der Arbeit?
Gleichwertige Lebenschancen für Alle, egal ob man auf dem Land oder in der Stadt wohnt, muss zentrales politisches Ziel von heute für die Gesellschaft von morgen sein. Unser innovativer Mittelstand sitzt auf dem Land, das Startup sollte es auch tun können. Der Breitbandausbau ist dabei ein wichtiges Element, doch unser gestalterischer Anspruch für den digitalen Wandel hört dort nicht auf. Die deutsche Wirtschaft fordert neben schnellerem Internet, auch den gezielten Aufbau von Kompetenzen in den Schulen und durch betriebliche Weiterbildungen. Speziell der Mittelstand muss hier mit transparent zugänglichen Fördermitteln und Einrichtungen unterstützt werden. Die Ambitionen bei der digitalen Bildung müssen über die Ausstattung mit Endgeräten hinausgehen und auch neue Kompetenzen vermitteln.
Um Innovation Made in Germany auch in Zukunft zu erhalten, sollte die Förderung deutscher Startup-Unternehmer ein zentraler Bestandteil einer Digitalstrategie sein. Wir haben in der letzten Legislaturperiode den 10 Milliarden-Zukunftsfonds geschaffen. Diese muss weiter umgesetzt werden. Ich würde mich freuen, wenn auch bei der Mitarbeiterbeteiligung einiges reformiert würde. Dafür setze ich mich ein.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in die Glaskugel werfen: Wie werden wir in 10 Jahren arbeiten?
Schon jetzt finden wir eine komplett veränderte Arbeitswelt vor. Erste Aufgabe für die Politik ist es deshalb, die neuen Arbeitsformen zu verstehen und die Regulatorik an die neuen Möglichkeiten anzupassen. Neue Beschäftigungsmodelle werden individualisierter werden und sich in den kommenden Jahren noch schneller entwickeln. Die große Herausforderung wird sein, dass wir als Gesellschaft den neuen Anforderungen gerecht werden. Der Strukturwandel wird ein ergebnisorientiertes flexibles Arbeiten mit besserer Work- und Life- Balance ermöglichen, aber auch kontinuierliche Weiterbildung einfordern.
Bildung ist dafür der Schlüssel. Die Politik muss hierbei in der frühen Entwicklung von Kompetenzen durch eine Überarbeitung der Lehrpläne und der Art des Lernens und Lehrens ansetzen. Damit einher muss eine neue Kultur des lebensbegleitenden Lernens gehen. Diese stärken wir etwa mit dem Weiterbildungschancengesetz und der Entwicklung der nationalen Bildungsplattform. Wir setzen dabei auf einen umfassenden Zugang zu digitaler Bildung für alle. Nur so werden wir Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit digitaler Informationstechnologie vermeiden und die Chancen der Arbeitswelt von morgen für Gesellschaft und Wirtschaft optimal nutzen.
Nadine Schön wird am 23. Juni 2022 auf der FUTUREwork, Deutschlands größtem Festival zur Zukunft der Arbeit, zu Gast sein. Gemeinsam mit weiteren spannenden Speaker*innen spricht sie ab 14 Uhr auf dem Panel „6 Monate Ampel – kommt jetzt der digitale Aufbruch in Deutschland?“. Für die kostenlose Veranstaltung können Sie sich hier anmelden.