#futurework22: Verena Hubertz über den fairen digitalen Fortschritt
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Verena Hubertz ist Co-Gründerin einer Online-Plattform und sitzt seit 2021 für die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende setzt sich für mehr Digitalisierung, gegen den Klimawandel und für Entbürokratisierung ein.
Im Interview mit uns spricht sie darüber, wie die Digitalisierung fair für alle gestaltet werden kann und welche Maßnahmen die Politik ergreifen muss, um dem IT-Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Sie setzen sich seit Jahren sowohl beruflich als auch privat mit verschiedenen Aspekten der Digitalisierung auseinander. Wie kann der digitale Fortschritt gestaltet werden, damit möglichst viele profitieren?
Der Fortschritt und die Veränderungen, die wir durch die Digitalisierung erleben, sind enorm. Deswegen finde ich es wichtig, ihnen bei z.B. Start-Up-Gründungen einen Rahmen zu geben. Meine Arbeit dazu konzentriere ich derzeit auf drei Bereiche:
Erstens auf tatsächliche Gleichstellung auch bei der Möglichkeit zu Gründen. Nur 12% aller Gründungen bei Startup haben weibliche Founder. Strukturelle Hindernisse in unserem Sozialversicherungssystem oder bei der vornehmlich männlich geprägten Investorenlandschaft, müssen wir abbauen, um den Anteil zu erhöhen.
Zweitens die Frage, wer von erfolgreichen Gründungen profitiert. Neben den Besitzern des Unternehmens und den Mitarbeitern, gibt es auch Wagniskapitalgeber, welche Startup in frühen Phasen Geld gegen Anteile bereitstellen, damit das Unternehmen bis zur Profitabilität wachsen kann. Das ist eine gewachsene Kultur, das bspw. auch Pensionsfonds aus Ländern wie Kanada oder den USA dabei als Akteure mit investieren. Dadurch kann der Feuerwehrmann aus Ontario mit seiner Rente von den Unternehmen der Zukunft profitieren. Eine solche Kultur, gerade auch im Bereich der Altersvorsorge, zu etablieren ist mein Ziel.
Drittens die Frage von Mitbestimmung in Betrieben. Gerade hier können Startup mit ihrem jungen und internationalen Umfeld zum Vorreiter werden. Diese Legislatur steht die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes an. Die Grundzüge kommen aus den 70er Jahren und berücksichtigt noch nicht so richtig die Möglichkeiten der Digitalisierung. Es wird Zeit für eine zeitgemäße Reform, ohne das Schutzniveau von Mitarbeitern zu senken.
Als Gründerin einer erfolgreichen Online-Plattform haben Sie bereits eigene Erfahrungen in der Tech-Branche sammeln können. Laut Bitkom wird die IT-Fachkräftelücke immer größer. Welche Maßnahmen kann die Politik ergreifen, um dem Fachkräftemangel in der IT-Branche entgegenzuwirken?
Zunächst einmal muss es darum gehen bestehende Fachkräfte besser zu schulen oder umzuschulen. Angesichts der demographischen Entwicklung sollten wir auch bei älteren Arbeitnehmern das Potential nutzen und dort, wo Weiterbildung nötig und sinnvoll ist, als Staat dies auch ermöglichen und unterstützen. Weiterhin müssen wir technische Bildung stärker in den Schulalltag integrieren. Die Länder sind hier gefordert zeitgemäße Curricula aufzustellen, sodass die entsprechenden Fähigkeiten auch bereits in der Schule erworben werden können. Zum Schluss werden wir auch das Einwanderungsrecht- und Abstammungsrecht in Deutschland nochmals anpassen. So machen wir Deutschland als Einwanderungsland attraktiver und bilden auch noch stärker die tatsächliche internationale Lebensrealität in vielen Betrieben ab.
Der Bitkom hat ausgerechnet, dass digitale Technologien mehr als ein Drittel zur Erreichung der deutschen Klimaziele bis 2030 beitragen könnten. Wenn Sie unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten hätten, welche Digitalisierungsprojekte würden Sie sofort anstoßen, um Deutschland auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen?
Der vielleicht wichtigste Hebel, den wir als Staat direkt angehen können, ist die Verwaltung. Schnelle und digitale Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine Behörde, welche ihren Auftrag als Partner bei der Umsetzung von Projekten sieht, das ist für mich Grundvoraussetzung für einen schnellen Wandel hin zu mehr Klimaneutralität.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in die Glaskugel werfen: Wie werden wir in 10 Jahren arbeiten?
Digitaler, flexibler und ohne gläserne Decken.
Verena Hubertz wird am 23. Juni 2022 auf der FUTUREwork, Deutschlands größtem Festival zur Zukunft der Arbeit, zu Gast sein. Gemeinsam mit weiteren spannenden Speaker*innen spricht er ab 14 Uhr auf dem Panel „6 Monate Ampel – kommt jetzt der digitale Aufbruch in Deutschland?“. Für die kostenlose Veranstaltung können Sie sich hier anmelden.