Wegweiser für unsere intelligente Zukunft – Impulse aus dem KI-Expertenrat
![Foto von Lennart Wetzel, Manager Government Affairs](../renderingassets/legacy/LennartStudioAnkaBardeleben5121-320x320.jpg)
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Es liest sich wie die Agenda von morgen, ist aber die Themenliste des vergangenen Jahres – die zeigt, wie zukunftsweisend die Fragestellungen sind, die der von Microsoft initiierte Expertenrat Künstliche Intelligenz (KI) 2019 diskutiert hat. Seit der letzten Sitzung im vergangenen November scheint es, als habe sich unsere Welt um ein Vielfaches schneller gedreht. Vieles ist nicht mehr, wie es einmal war. Und doch bleiben die Themen, die der KI-Expertenrat im letzten Jahr diskutierte, aktueller denn je: KI und der Wandel der Arbeitswelt, KI und Ethik, innovationspolitische Herausforderungen für Deutschland und Europa. Grund genug, die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zu beleuchten und einen Blick darauf zu werfen, was als nächstes zu tun ist.
Schutz von Grundrechten in der Technologiewelt: Warum KI ethische Leitplanken braucht
Chance und Risiko liegen bei neuen Technologien oft dicht beieinander. Das zeigt sich zum Beispiel bei der automatisierten Gesichtserkennung mit KI. Kameras, die Menschen identifizieren können, haben in Indien dabei geholfen, hunderte vermisste Kinder zu finden und zu ihren Eltern zurückzubringen. Doch wenn Teilnehmer von Demonstrationen identifiziert oder Bewegungsprofile von Menschen im öffentlichen Raum erstellt werden können, kann Technologie auch eine Bedrohung demokratischer Grundfreiheiten darstellen. Aus diesem Grund setzen wir uns für gesetzlich verbindliche Regelungen ein.
Die ethischen Fragestellungen bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-Systemen sind enorm. Sind die Trainingsdatensätze bei der Entwicklung einer KI nicht ausreichend groß und divers, können diskriminierende Systeme entstehen. Die Privatsphäre von Menschen zu schützen und ihnen die Kontrolle über ihre eigenen Daten zu geben, ist eine weitere Herausforderung – gerade, wenn es etwa bei KI im Gesundheitswesen um besonders sensible Daten geht. Der Einsatz von KI in der Medizin wirft wiederum völlig andere ethische Fragestellungen auf als KI bei der Bearbeitung von Kreditanträgen, von Bewerbungen oder zur smarten Steuerung von Maschinen in der Industrie 4.0.
Lebenslanges Lernen für alle: Wie wir die Arbeitswelt im KI-Zeitalter gerecht gestalten
Am Arbeitsplatz begegnet uns KI heute schon viel öfter, als wir es wahrnehmen. In der Logistik etwa kommen KI-gesteuerte Roboter zum Einsatz. Industrieunternehmen haben intelligente Einkaufssysteme, die den Bestand an Produktions- und Ersatzteilen überprüfen und bei Bedarf automatisiert Teile nachbestellen. Chatbots stehen rund um die Uhr für die Kundenbetreuung zur Verfügung, KI-Systeme beraten Versicherungskunden und wickeln ihre Schadensmeldungen ab, verwalten als Fondsmanager Vermögen von Anlegern.
Die Einsatzmöglichkeiten von KI werden noch rasant wachsen und einen grundlegenden Wandel der Arbeitswelt mit sich bringen. Laut Bundesarbeitsministerium werden bis 2035 mehr als 7 Millionen Arbeitsplätze von diesem Wandel betroffen sein. Klar ist schon jetzt: Die Corona-Pandemie hat zumindest den Wandel in Hinblick auf ortsunabhängiges Arbeiten dramatisch beschleunigt. Aber, wie unsere Deutschland-Chefin Sabine Bendiek kürzlich auf LinkedIn schrieb: „Home-Office allein macht noch keine digitale Transformation“.
Unabhängig davon, können wir schon jetzt sagen, dass zukünftig bestimmte menschliche Tätigkeiten nicht mehr benötigt werden, weil sie von KI übernommen werden können – aber zugleich auch, dass neue Anforderungen und Berufsprofile entstehen werden. Manche Studien schätzen, dass unter dem Strich Arbeitsplätze verloren gehen werden, andere gehen davon aus, dass unter dem Strich sogar mehr neue entstehen als verschwinden.
Wie gut dieser Wandel gelingt, wird stark davon abhängen, wie Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich darauf einstellen können. Der Expertenrat fordert deshalb in seinem Debattenbeitrag eine Weiterentwicklung der Organisationskultur, die Akzeptanz für KI am Arbeitsplatz vermittelt. Menschen müssen durch angepasste Bildungsinhalte in der Schule, an Hochschulen und vor allem Weiterbildungsangebote für lebenslanges Lernen befähigt werden, in der neuen Arbeitswelt gefragte Kompetenzen zu erwerben. Dabei geht es nicht nur um digitales Wissen, sondern auch um soziale, emotionale und kreative Fähigkeiten. Schließlich muss der Wandel sozial gerecht gestaltet werden. Die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen ist ebenso sicherzustellen wie die Förderungen von Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen, damit die KI-Durchdringung nicht zu sozialem Ausschluss führt.
Maschinendaten und Reallabore: Wie Deutschland an die KI-Weltspitze kommen kann
Deutschland und Europa haben "nur noch ein kleines Zeitfenster von zwei bis drei Jahren", um bei KI eine Position in der globalen Spitzengruppe zu erobern – Maschinendaten sind dabei „die letzte Chance“ für Europa. Mit dieser Einschätzung regte Prof. Wolfgang Wahlster, Mitgründer und langjähriger Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), die Sitzung des Expertenrats zum Thema innovationspolitische Herausforderungen an.
Aus Wahlsters Sicht ist Deutschland zwar Weltklasse bei der KI-Grundlagenforschung, doch bei der Entwicklung von marktfähigen Produkten und Geschäftsmodellen drohen wir den Anschluss zu verpassen. Beim Geschäft mit Konsumentendaten seien Anbieter aus den USA und China schon so weit enteilt, dass er kaum mehr einholbar ist. Deutschland als Exportweltmeister habe dagegen einen einzigartigen Zugang zu Maschinendaten. Diesen Schatz gelte es zu heben.
Damit dies gelingen kann erachtet der Expertenrat eine engere Kooperation zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zur Förderung anwendungsorientierter KI-Forschung als unerlässlich. Zugleich müssen Unternehmen größere Freiräume bekommen, innovative Anwendungen unter realitätsnahen Bedingungen zu testen und weiterzuentwickeln. Zudem brauchen wir ein neues Verständnis für das unternehmens- und sektorübergreifende Teilen von Daten – das Datenpooling –, um die Verfügbarkeit ausreichender Trainingsdaten für KI-Innovationen sicherzustellen.
Um einer drohenden „Daten-Kluft“ entgegenzuwirken, hat Microsoft kürzlich seine Open-Data-Initiative ins Leben gerufen, die allen Organisationen dabei helfen soll, das Potenzial von Daten und datengetriebenen Innovationen auszuschöpfen.
Zeit zu Handeln: Wie wir jetzt vorankommen
Ohne Frage bestimmt die Bewältigung der Corona-Krise derzeit unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln. Wir stehen über einen unbestimmten Zeitraum vor großen Herausforderungen. Dennoch kann diese „neue Normalität“ auch Raum für Veränderung schaffen. Dazu sollte gehören, die enormen Potentiale die Technologien wie KI mit sich bringen, zukünftig mit noch größerem Nachdruck als bisher aufzugreifen und innovative Ideen trotz oder gerade wegen der aktuellen Umstände umzusetzen.
Der Expertenrat Künstliche Intelligenz möchte dazu einen größtmöglichen Beitrag leisten und sich zukünftig noch stärker auf die unternehmerische und organisationale Praxis fokussieren, um so den Austausch zu KI-Einsatzmöglichkeiten und konkreten Anwendungsbeispielen zu intensivieren.
Nächste Sitzung am 11. Mai 2020
In der kommenden Sitzung möchten wir das Thema Chancen der Digitalisierung und KI für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen. Dabei freuen wir uns über Impulse von Vertreter*innen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und wollen gemeinsam erörtern, wie der KI-Expertenrat die aktuellen Initiativen des BMU mit Digitalbezug bestmöglich unterstützen kann.
Aufgrund der derzeitigen Situation und im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes wird die kommende Sitzung des KI-Expertenrats digital ausgetragen.