Um die Klimakrise zu stoppen, brauchen wir eine gemeinsame Sprache
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Der Klimawandel ist in aller Munde. Menschen demonstrieren gegen Verbrennung von Kohle und Gas, Staaten verabschieden Klimaziele, Unternehmen setzen sich Ziele zur Senkung ihrer klimaschädlichen Emissionen, Medien berichten fast täglich über Klima-Themen. Man könnte meinen, die Kommunikation über dieses existenzielle Thema funktioniert – doch etwas stimmt nicht. „Wir benutzen dieselben Worte, aber wir sprechen unterschiedliche Sprachen“, stellte Microsofts Präsident Brad Smith am Dienstag anlässlich seines Besuches in Berlin fest. Und machte sich für eine gemeinsame „Carbon Language“ stark.
Auch wenn wir über dasselbe Thema reden und die gleichen Worte benutzen: Solange wir kein gemeinsames Verständnis der genauen Definitionen hinter den Begrifflichkeiten haben, machen am Ende alle ihr eigenes Ding. Jedes Unternehmen berechnet selbst seine „Klimabilanz“ und legt für sich fest, wie es komplexe, schwer zu erfassende Emissionen entlang von Wertschöpfungsketten ermittelt. Jedes Land entscheidet individuell, wie es seine Fortschritte bei der Senkung des CO2-Ausstoßes berechnet. Deshalb sind gemeinsame Standards so wichtig, wenn es um die Bilanzierung von CO2 und anderen klimaschädlichen Emissionen geht. Transparenz, Vergleichbarkeit und eine belastbare Messung von Fortschritten erreichen wir nur, wenn dieselben Definitionen für alle gelten.
In der Paneldiskussion über „Schlüsselwege zur Klimaneutralität“ im Atrium von Microsoft Berlin waren sich die Beteiligten über die immense Bedeutung gemeinsamer Standards einig. „Strong standards make strong companies”, sagte Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Gründer der Stiftung Klimaneutralität und Managing Partner and Global Leader Climate Strategy bei Deloitte. Patricia Espinosa, Exekutivsekretärin des Sekretariats des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), machte deutlich: „Wir brauchen verlässliche Informationen über unsere Emissionen und die Fortschritte bei der Reduzierung.“ Dies sei essenziell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Mit Daten die Atmosphäre retten: Wie die Digitalisierung hilft
Neben Standards braucht es dafür vor allem zwei Dinge: Tempo und Daten. „Wir brauchen sofortige und umfangreiche Reduktionen der Emissionen – überall“, betonte Espinosa, die von einer Dienstreise aus den Malediven zugeschaltet war. Der als Urlaubsparadies bekannte Inselstaat ist eines der besonders stark vom Klimawandel betroffenen Länder, wenn Gletscher schmelzen und Meeresspiegel steigen. Sie rief dazu auf, dass die reicheren Länder den Globalen Süden stärker unterstützen – bei der Reduktion von Emissionen, aber auch bei der Bewältigung der Folgen der Klimaerwärmung. „Je mehr Anstrengungen wir jetzt unternehmen, um die Erwärmung zu begrenzen, desto geringer sind später die Kosten für die Anpassung an die neuen Bedingungen“, sagte Espinosa und forderte: „2021 war das Jahr der Klimaziele, 2022 ist das Jahr für Taten und die Erfüllung der Ziele!“
Prof. Lorentz erläuterte, wie Unternehmen sinnvoll vorgehen können, um Klimastrategien zu entwickeln und ihren CO2-Abdruck in der Atmosphäre zu senken. „Der erste Schritt ist immer das Messen der Emissionen“, sagte er. Im zweiten Schritt geht es um das Entscheiden und die Entwicklung von Pfaden zur Reduktion, im dritten um die Umsetzung. Ein bessere Datenqualität sieht er als zentrale Voraussetzung, um diese Schritte auf gesichertem Terrain bewältigen zu können. „Nur, wenn wir Transparenz haben, können wir globale Warenströme und die Verbindung der Daten sicherstellen.“
In dieselbe Kerbe schlug Brad Smith. „Man kann nur managen, was man auch messen kann“, erläuterte er die Überlegungen bei Microsoft, die auch zur Entwicklung der neuen Microsoft Cloud for Sustainability stehen. Sie ist ab kommendem Monat verfügbar und hilft Unternehmen, die besonders schwierig zu erfassenden Scope-3 Emissionen messbar zu machen. Darunter fallen alle Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen, von der Produktion der Rohstoffe bis zum Recycling eines Produkts am Ende des Lebenszyklus.
Investitionen in Innovationen: Warum wir Klima-Tech brauchen
Zudem berichtete Brad Smith über die Fortschritte bei der Umsetzung unseres Klimaschutzprogramms. Zu dessen Säulen zählt die Einrichtung eines Klima-Innovationsfonds, der eine Milliarde US-Dollar in die Entwicklung klimafreundlicher Technologien investiert – beispielsweise, um Kohlenstoffdioxid aus der Luft zu binden. Mehr als die Hälfte davon, rund 471 Millionen Dollar, hat Microsoft bereits investiert. Brad Smith machte zudem klar, warum der Weg zur klimaneutralen Ökonomie über Innovationen und Technologie führt.
Was bedeutet Klimaneutralität? Es ist der Saldo aus der Gegenüberstellung der ausgestoßenen Emissionen und dem aus der Atmosphäre entfernten Kohlendioxid. Ist der Wert positiv, wird per Saldo mehr CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen als entfernt, bei negativem Saldo ist es umgekehrt. Neutralität bedeutet, dass genauso viel Kohlendioxid entfernt wie verursacht wird. Da wir auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein werden, den Ausstoß sämtlicher Emissionen entlang der Lieferketten auf Null zu bekommen, sind Technologien zur Entfernung aus der Atmosphäre notwendig, um einen neutralen oder sogar negativen Saldo zu erreichen.
„Wir brauchen enorme technologische Innovationen“, sagte Brad Smith und wies darauf hin, wie sehr unser Lebensstandard davon abhänge. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs hat die Welt ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum erfahren, und beinahe deckungsgleich entwickelte sich der Bedarf an Energie. Sie ist die Grundlage unseres Lebensstandards – und eine Bedrohung desselben, solange ihre Verfügbarkeit mit dem Ausstoß von CO2 verknüpft ist wie bei Öl, Gas und Kohle. „Die Klimakrise ist eine Energie-Challenge“, so Brad Smith. „Wir müssen die Verbindung zwischen Energie und Kohlendioxid durchbrechen. Denn wir brauchen Energie, aber saubere.“
Die Veranstaltung „Schlüsselwege zur Klimaneutralität“ ist in Kürze als Video auf unserer Seite verfügbar.