Gut simuliert ist sicher gefahren
Der Begriff „Teststrecke“ ist synonym für die Entwicklung von Autos: Auf dem Weg zur Marktreife spulen die Vorserienmodelle teilweise Millionen von Kilometern auf Teststrecken ab. Würden alle Verbesserungen an der zum autonomen Fahren nötigen Software ebenfalls durch reale Fahrten erprobt, der Aufwand würde explodieren. Die Lösung? Simulationen in der Cloud.
Treffen die in der Softwareentwicklung üblichen Mechanismen auf andere Bereiche im Business, kann es zu Reibereien kommen: Im Softwareumfeld sind kurze Entwicklungszyklen, durch fortlaufende Updates eingespielte Verbesserungen und Bugfixes üblich. All das ist in der Automobilentwicklung unbekannt: Findet ein neues Modell den Weg zum Händler, hat es einen intensiven Erprobungsprozess hinter sich – der Funktionsumfang ändert sich bis zum nächsten Facelift aber nicht mehr.
Nun ist Software aber unabdingbar, um autonom fahrende Autos auf die Straße zu bringen. Sie verarbeitet die von den diversen Sensoren angelieferten Daten, macht sich so ein Bild der jeweiligen Fahrsituation und entscheidet daraufhin, was zu tun ist: beschleunigen, bremsen, Wechsel der Spur, abbiegen an der Kreuzung. Das muss fehlerfrei unter allen möglichen Fahrsituationen klappen, die Software muss beispielsweise Fußgänger bei jeder erdenklichen Licht-, Wetter- oder Verkehrssituation erkennen können.
Wie aber lässt sich diese so kritische Software während des Entwicklungsprozesses mit möglichst wenig Aufwand perfektionieren? Die Audi AG beispielsweise beantwortet diese Frage so: „Neben Realerprobungen setzen wir verstärkt auf Simulationen. Es ist für uns nicht praktikabel, jede neue Software-Version zehntausende Stunden auf verschiedenen Kontinenten zu prüfen.“, sagt Adrian James, verantwortlich für die Absicherung des automatisierten Fahrens bei der Audi AG.
Wirtschaftlich sinnvolle Simulation nur in der Cloud
Auf Basis von Microsoft Azure hat Audi eine Simulationsumgebung gebaut, die auf einen riesigen Daten-Pool aus realen Sensorrohdaten zurückgreift. Gesammelt wurden diese Informationen über mehr als eine halbe Million Kreuzungen, über 400.000 Ampelanlagen, knapp 320.000 Brücken oder mehr als 60.000 Bremshügel von Testfahrzeugen auf der ganzen Welt. In der Simulation läuft die Software der jeweiligen Steuergeräte und Sensoren (System-under-Test) in einer virtuellen Umgebung und arbeitet sich durch die Sensorrohdaten. Trifft die Software des Steuergerätes, welches im Auto für die Sicherheit verantwortlich ist, in der Simulation eine Fehlentscheidung, ist dies so gefahrlos zu erkennen und in der nächsten Version zu beheben.
Der Einsatz der Cloud ist angesichts der Datenmengen unabdingbar: Fachleute erwarten, dass Fahrzeuge der nächsten Generation pro Sekunde vier Gigabyte an Sensorrohdaten erzeugen werden. Um damit im gleichen Umfang Simulationen durchlaufen zu lassen, wären rund 200 Petabyte Speicherkapazität und entsprechend viel Rechenleistung anzuschaffen und zu betreiben – unwirtschaftlich für ein Unternehmen, dessen Kernkompetenz nicht der Rechenzentrumsbetrieb, sondern das Entwickeln moderner Fahrzeuge ist.
Datenschutzbedenken können Azure-Kunden beruhigt ad acta legen, wie Dr. Stefan Gangl weiß. Er ist Entwicklungsingenieur bei Audi und sagt: „Azure verhält sich für uns wie ein eigenes Rechenzentrum, bis hin zur Verwaltung der kryptografischen Schlüssel, mit denen wir unser geistiges Eigentum schützen.“ Letztlich verzahnt die Cloud auch die unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten und vereint die der Automobilindustrie eigene Gründlichkeit mit der Dynamik der Software-Entwicklung.